In den letzten fünf Jahren hatte ich das Glück, jede Menge Menschen kennenzulernen. Gewisse näher, gewisse flüchtig. Einige habe ich sehr gemocht, andere habe ich noch so gerne hinter mir gelassen.
Auch bei denen, die ich weniger gemocht habe, hat sich etwas herauskristallisiert: Ich habe von denjenigen eine gewisse Hochachtung, die immerhin authentisch sind.
Wir können nicht alle mögen, gewisse Eigenschaften stören uns wohl immer. Doch Authentizität, auch wenn nicht nach meinem Gusto, konnte ich immer schätzen.
Ich persönlich bin kein einfacher Charakter. Was mir aber auch von jenen nachgesagt wurde, welche mich nicht super fanden, war, dass ich authentisch sei.
Schlussendlich ist es eine Königinnen-Disziplin, zu sich selbst stehen zu können. Zu den eigenen Stärken, aber auch zu den eigenen Schwächen und Fehlern.
Ich kann Menschen für das schätzen, was sie sind, wenn sie sich verhalten, wie sie sind.
Wir sind schlussendlich alle im stetigen Wandel und erkennen uns teilweise nach einem Jahr nicht wieder. Aber wenn das Ich vor einem Jahr und das Ich heute gleichermassen authentisch wirken, können wir uns selbst und andere uns noch weniger etwas vorwerfen.
Stephen Hawking meinte mal: «Der Feind des Wissens ist nicht die Unwissenheit, sondern die Illusion des Wissens.» Eine der authentischsten Personen, die ich kennenlernen durfte, behauptet ständig, dumm zu sein. Sie habe kein Allgemeinwissen und rede nicht oft mit, weil sie nichts zu den Themen wisse. Dieser Mensch macht kein Geheimnis daraus, wenn sie etwas nicht weiss. Umso mehr kann ihren Aussagen Glauben geschenkt werden, weil man weiss, dass sie dann was sagt, wenn sie sich sicher ist. Sie schämt sich nicht, auch vor Vorgesetzten zu sagen: «Da weiss ich zu wenig, um eine starke Meinung zu haben.» Ihr Wissen, welches durchaus breitgefächert und umfassend ist, wird mit ihrer Authentizität von allen, die sie kennen, geschätzt.
Ich durfte aber auch Menschen kennenlernen, die rückgratlos ihre Meinung dem Gegenüber und ihr Benehmen der Situation angepasst haben. Nicht im Sinne der Umgänglichkeit, sondern der mangelnden Authentizität.
Meine Empathie stösst an Grenzen, wenn ich nicht weiss, wer mein Gegenüber ist. Wir alle fragen uns manchmal, wer wir wirklich sind. Oder wir nehmen eine akute Veränderung wahr und fühlen uns verloren. Auch auf dieser Suche verlieren einige die Authentizität nicht. Dazu zu stehen, dass wir ein wenig verloren sind. Dazu zu stehen, dass wir vielleicht gerade ein wenig geplagt sind von Sorgen, Fragen und uns selbst.
Wer sich jedoch wie ein Blatt im Wind hin und her bewegt und an Authentizität mangelt, wird auch nicht ehrlich sein mit sich und anderen. Wahrscheinlich läuft es auf genau das hinaus: Wer ehrlich ist mit sich selbst und seinen Mitmenschen, der wird authentisch sein.
Lange Rede, noch längerer Sinn: Ich begebe mich aktuell auf eine Reise ins Ungewisse, mit neuem Wohnraum und neuem Umfeld, neuer Beschäftigung und neuen Zielen. Umso wichtiger ist es mir, mich an gewissen Werten festhalten zu können.
Zu meinen Lieblingen Ehrlichkeit und Loyalität gesellt sich neu festgestellt auch die Authentizität dazu. Wer ehrlich ist mit sich und mir, wird mir einiges beibringen können.
30. Mai 2025