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Ein Geburtstagsbrief an Friedrich Glauser

Friedrich Glauser hatte wenig Glück, viel Leid und noch mehr Talent. Am 4. Februar hätte der begabte Schreiber seinen 126. Geburtstag gefeiert. Anlässlich dieses Jubiläums ein Geburtstagsbrief an den Schriftsteller, der ein viel zu kurzes, schwermütiges Leben hatte und die Leichtigkeit in Drogen und dem Schreiben fand.

Von Leila Alder

Verehrter Herr Glauser

Sie waren vieles. Tellerwäscher, Milchausträger, kriminell, Grubenarbeiter, Buchbinder, Krankenpfleger, suizidal, Journalist, Heizer, drogenabhängig und ein grossartiger Schriftsteller. Am 4. Februar wären Sie 126 Jahre alt geworden. So lange haben Sie aber nicht durchgehalten. Gar nicht lange leider – gerade 42 Jahre haben Sie diesen Planenten mit Ihrer Anwesenheit und Ihrem Talent beehrt. 

Ein kurzes, abwechslungsreiches, holpriges und schmerzhaftes Leben hatten Sie. Ich wünschte, es wäre etwas länger gewesen, sodass Sie noch einige weitere Werke hätten schreiben können. Sie waren wahrscheinlich froh, dass es geendet hat. Oder mussten Sie gerade dann von uns gehen, als Sie begannen Ihr Leben zu mögen? Ihre ersten Jahre waren – zu gut Deutsch – richtig beschissen. So beschissen, dass Sie mit 13 alleine in die Slowakei durchbrannten, Ihrem Lateinlehrer ins Gesicht schlugen, sich das Leben nehmen wollten und mehrere Monate in Psychiatrien verbrachten. 

Diese Geschehnisse zieren meine Biografie zwar nicht, mindestens zwei andere Dinge haben wir aber gemeinsam: Sie gründeten eine Zeitschrift. Eine gedruckte natürlich – wir sprechen vom Jahr 1916. Und Sie waren ein grosser Fan des Dadaismus. Dem und den Vertreter:innen widmeten Sie viel Zeit, Text und Liebe.

Wissen Sie, was ich besonders an Ihnen und Ihrer Schreibe mag? Dass Sie niemandem Ihre Meinung aufdrängen wollten, dass Sie sich nicht so wichtig nahmen, dass Sie nicht politisieren wollten, dass Sie einfach nur schreiben wollten. Einfach nur Geschichten erzählen. Sich selbst nahmen Sie dabei raus. So scheint es zumindest.

Ihr mehr als verdienter Erfolg begann 1935 – drei Jahre vor Ihrem Tod, obwohl Sie bereits seit mehreren Jahren geschrieben hatten. Ihre Wachtmeister-Studer-Romane fanden derartigen Anklang, dass Sie in nur kürzester Zeit zu einem gefragten Autor wurden. Und jetzt noch eine Gemeinsamkeit: Sie waren unsicher. Unsicher wo das alles hinführen wird, ob Sie dem standhalten können. 

So schrieben Sie an einen Kollegen: «Augenblicklich hab ich wieder mal den Eindruck, als stände alles auf der Kippe, der Weg mit dem Kriminalroman-Schreiben scheint mir nirgends hinzuführen. Ich möchte irgendwo hin, so weit als möglich von Europa fort, und dunkel schwebt mir etwas von freiwilligem Krankenpfleger vor. Wenn Sie in dieser Richtung etwas wissen, so schreiben Sie mir. Indochina oder Indien – irgendwo wird man einen doch brauchen können. Denn nur Literat sein – das geht auf die Dauer nicht. Man verliert jeden Kontakt mit der Wirklichkeit.»

Sie versuchten dem Druck dennoch standzuhalten. Sie schrieben tapfer weiter, beeindruckten Gleichgesinnte und Schriftstellerkolleg:innen an Ihren Lesungen, bekamen neue Aufträge und griffen ab und zu mal wieder zu Morphium und Opium.

Herr Glauser, ich bedaure, das war keine so gute Idee – aber das wussten Sie bestimmt.

Ihre letzte Ruhe haben Sie übrigens auf dem gleichen Friedhof – Manegg – wie meine geliebten Grosseltern gefunden. Immer wenn ich sie besuche, schaue ich auch kurz bei Ihnen vorbei, um Ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken, die Sie so sehr verdient haben.

Herzlich,

Leila Alder

Anlässlich Friedrich Glausers Geburtstag, findet am Mittwoch 26. Januar 2022 um 20.00 Uhr im Theater an der Mürg in Stans sowie am Dienstag 8. Februar 2022 um 19.00 Uhr im Literaturhaus Basel «Stimmlos | Ein Friedrich Glauser-Abend», Lesung und Podiumsgespräch, statt.

Mehr Infos gibt’s hier.

12. Januar 2022

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