Gegenüber einem Nagelstudio mit flackernder LED-Beleuchtung und neben einem tibetanischen Restaurant findet sich der unaufdringliche Eingang des König Büros. Eine Galerie für zeitgenössische Kunst an der stark befahrenen Birmensdorferstrasse im Kreis 3. In den Räumlichkeiten einer ehemaligen Wäscherei und Handbüglerei wird hier junge Schweizer Kunst, aus den verschiedensten Sparten, einem grösseren Publikum zugänglich gemacht. Indem die Kunstvermittlerin Susanne König sich für diese einzigartige Lokalität entschied, schuf die Galerie auch neue Zugänge zur Vermittlung im Raum Zürich als Ganzes. Es ist die einzige Galerie weit und breit und äussert sich somit als geglückter und unkonventioneller Ausstellungsort einer dezentralisierten Kunstwelt der heutigen Zeit.
Das König Büro zeigt in der kommenden Ausstellung «Distance Black» von Jonas Burkhalter seine neueste medienübergreifende Werkserie, wobei der Fokus in «Distance Black» eindeutig auf dem Medium Fotografie liegt. Das Ergebnis ist vielfältig, das visuelle Narrativ eindeutig: es geht um Isolation, um Nähe und Distanz, aber auch darum, wie Sprache in Krisenzeiten wirkt. Der Begriff «social distancing» funktioniert im Englischen, weil «social» gesellig bedeutet. Übersetzt auf Deutsch, klingt der Begriff «soziale Distanz» jedoch missverständlich. Sprache prägt das Denken und Verhalten einer Gesellschaft massgebend.
Die gesamte Werkserie entstand letztes Jahr 2020 während des Lockdowns in New York und zeigt paralysierende, bedrückende, intime, emotionale und ehrliche Fotografien. Die wenigen Menschen, die auf den Bildern zu sehen sind, wirken wie unbedeutende Statisten in einem morbiden Film, dessen Ende unbekannt ist.
Jonas Burkhalter lotet atmosphärische Wahrnehmungsmöglichkeiten aus. Er sucht nach kausalen Zusammenhängen, oft mit viel Symbolik, zuweilen auch mit ironischem Augenzwinkern. Er lässt menschliche Konflikte wie Black Lives Matter, Erfahrungen und Gefühle, Abgründe und Absurditäten metaphorisch über sich hinauswachsen. In der Serie «Monolithe» beispielsweise sind schwarze Flächen eines Strassensockels zu sehen. Jonas Burkhalter spricht hier mehrere Ebenen zugleich an. Während der Pandemie wurden tatsächlich verschiedenste Monolithe weltweit gefunden. Als dezentrale, bedeutungsverweigernde und selbstreferentielle Gegenstände passen Monolithe perfekt in eine Krisenzeit, in der sich Verschwörungstheorien und ein paranoides Lebensgefühl breitmachen. Die Flächen auf den Fotografien sind dunkel, wirken schwarz. Schwarz wiederum bedeutet Abwesenheit von Helligkeit. Schwarz wird jedoch auch im deutschen Sprachgebrauch immer noch mit negativen Eigenschaften assoziiert, während weiss meist positiv besetzt ist. Auch hier ein Verweis auf die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache, um Wahrnehmungen zu schärfen.
Eine andere Fotografie zeigt die Statue von Harriet Tubman. Sie wirkt verlassen und vereint visuell doch alle Widersprüche von Nähe und Distanz: von kollektiver Hoffnung und kapitalistischer Vereinigung, sie wird abgebildet auf dem neuen 20-Dollarschein. Auch Stühle spielen in «Distance Black» eine wichtige Rolle und wurden nicht nur fotografisch festgehalten. Die Installation «Two Chairs» lässt einen ebenfalls auf verschiedenen Ebenen Nähe und Distanz erkennen. Einerseits durch die offenkundige Geste, die Stühle auseinanderzustellen, um räumlich Distanz zu erzeugen. Andererseits durch das Verhältnis von Kunst und Design. Beide Bereiche liegen wohl nahe, unterscheiden sich aber noch immer in Produktion und Praxis. Es ist die Ablenkungsarmut der Situation, das Konfrontieren der eigenen Wahrnehmung, die Einfachheit der Dinge und die verweisenden Bezugsysteme, die «Distance Black» sehenswert machen. «Ich möchte begreifen, wie die Welt und ihre Systeme funktionieren und zusammenhalten », meint Jonas Burkhalter.
König Büro: Jonas Burkhalter Distance Black
10. April – 8. Mai 2021
Vernissage
Freitag, 9. April 2021 17 – 21 Uhr
07. April 2021