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Die «Schiiterhuufe»-Hosts im Interview

Zum zweijährigen Jubiläum von akut haben wir euch den Podcast «Schitterhuufe» geschenkt, der von den Journalistinnen Noëmi und Livia recherchiert und produziert wurde. Wir haben uns mit unseren beiden Lieblings-Hosts und Hexen-Expertinnen über die Hintergründe vom «Schitterhuufe» unterhalten.

Von Leila Alder

Durch einen glücklichen Zufall haben sich die Wege von uns und den beiden «Schitterhuufe»-Hosts gekreuzt. Die beiden Kulturpublizistik Studentinnen schliessen dieses Jahr ihren Master an der ZHdK ab – danach gibt’s hoffentlich noch ganz viele weitere spannende Projekte von Livia und Noëmi. In den letzten Monaten durftet ihr euch jede zweite Woche auf eine neue historische und eine moderne Podcastfolge vom «Schitterhuufe» freuen. Zum krönenden Abschluss sind wir mit den beiden Hosts nochmals deep down in die Thematik «Hexen heute und früher» eingetaucht und haben erfahren, warum wir uns auch künftig unbedingt intensiver damit auseinandersetzen sollten.

Stellt euch doch mal kurz vor…

Noëmi: Ich bin Noëmi, 27 Jahre alt und arbeite momentan als freischaffende Kulturjournalistin für verschiedene Medien. Davor hatte ich mindestens so viele unterschiedliche Jobs, wie ich Hobbys habe (lacht). Der Podcast war aber ein besonders wichtiges Herzensprojekt für mich. Jetzt du Livia, du bist viel konkreter.

Livia: Ich bin Livia, ebenfalls 27 und mache Podcasts, wie ich vernommen habe (lacht). Ich komme ursprünglich aus der Literatur und Sprachwelt. Heute arbeite ich hauptsächlich als Journalistin mit Fokus auf Text und Ton. Und ich bin ein Popkultur-Nerd!

Warum habt ihr euren Podcast den Hexen gewidmet?

Livia: Es war eigentlich das Thema, welches uns zusammengebracht hat. Ich habe mich bereits früh mit dem Hexentum beschäftigt, weil es mich interessiert hat. Die Witchy Culture hat einen riesen Stellenwert in der Popkultur und wird in englischsprachigen Ländern viel stärker thematisiert als hier. In England zum Beispiel gab es weitaus weniger Hexenprozesse – ich glaube, es waren etwa hundert Opfer – in der Schweiz geht man von etwa 6000 Opfern aus, jedoch wird das Thema dort viel intensiver aufgearbeitet. Wie kann das sein?!

Noëmi: Das ist typisch für die Schweiz. Bei einer Recherche für ein Theaterstück bin ich auf die erschreckende Information gestossen, dass die meisten Frauen in Europa auf dem Gebiet der heutigen Schweiz umgebracht wurden – durch die Hexenprozesse. Der feministische Aspekt war der Hauptantrieb, um am Thema dran zu bleiben. Auch wenn es schwer ist, solche Thematiken vorwärts zu bringen, denn Ideen für die Gedenkkultur werden in der Schweiz noch immer aktiv unterdrückt.

Habt ihr versucht einen Step weiterzugehen? Mit einem politischen Vorstoss oder so?

Livia: Bis jetzt noch nicht, weil wir die Kapazität und das Know-How nicht haben. Gerade deshalb war es uns so wichtig, diesen Podcast zu machen, um unseren Beitrag zur Aufklärung zu leisten.

Und wieso habt ihr euch für das Podcastformat als Vermittlungsform entschieden?

Livia: Podcasts können etwas, was nur wenige Medien können; sie können Wissen auf eine Art und Weise vermitteln, die informativ, aber nicht erschlagend ist. Gerade weil dieses Thema so wenig aufgearbeitet wurde und viel Erklärungsbedarf da war, schien Podcast das optimale Format. Ein langer Text mit Facts hätte nicht den gewünschten Effekt gehabt. Man muss eine Balance finden zwischen Ernsthaftigkeit und Spass. Deshalb haben wir uns auch für ein Gegengewicht mit den modernen Folgen entschieden, um das Thema möglichst zugänglich zu machen. Die Podcasts stehen und fallen mit ihren Moderator:innen, als Host kannst du Brücken schlagen und verknüpfen, was du in einem anderen Format nicht könntest.

Noëmi: Und es fehlen ganz klar journalistische Podcasts von jungen FINTAs* in der Schweizer Medienlandschaft.

Livia: Definitiv!

Wie gelang der Spagat zwischen Spass und Ernsthaftigkeit bei so einem heiklen Thema?

Noëmi: Livia hat viel geschnitten!

Livia: Ja, es gab tatsächlich ein paar unpassende Lacher. Bei meinen Folgen gab es weniger Möglichkeiten ins Fettnäpfchen zu treten. Für die Leichtigkeit haben wir uns vor allem auf die Situationskomik verlassen, das war sehr wichtig. Ich habe mir immer stark vor Augen gehalten, dass man sich auf keinen Fall über das Opfer lustig machen sollte und die Komik nur rundherum passieren darf.

Noëmi: Krass, wie viele Gedanken du dir gemacht hast! Bei mir kam das irgendwie mehr aus dem Moment heraus. Ich meine, wir sind gute Freundinnen, die sich gerne unterhalten und denselben Humor haben. Aber Political Correctness ist uns sowieso sehr wichtig. Daher glaube ich, war es einfacher, dieses Thema korrekt zu behandeln.

Livia: Unsere Positionen waren natürlich auch unterschiedlich. Du musstest in den historischen Folgen auf einer sehr seriösen und informativen Ebene erzählen, um es greifbar zu machen. Umgekehrt war es so, dass ich viel Anschauliches gehabt habe, und du gezielt Fragen stellen konntest.

Warum sollte man sich mit den Hexenprozessen auseinandersetzen?

Noëmi: Es ist sehr bezeichnend, dass man in der Schweizer Geschichte viel über die Männer weiss. Symbolfiguren wie Wilhelm Tell prägen das Bild der historischen Schweiz. Es gibt jedoch viele Geschichtskapitel, die mit einem feministischen Blick drauf beleuchtet werden könnten und sollten. Schauen wir uns doch mal das späte Stimmrecht an. Ich frage mich immer wieder, wie es sein kann, dass in einem reichen, fortschrittlichen Land wie der Schweiz so eine scheiss Gleichstellung geherrscht hat und zum Teil noch immer herrscht. Genau diese Aufarbeitung von düsteren Kapiteln wie den Hexenprozessen – ich meine, tausende von Frauen mussten in der Schweiz sterben – können Antworten auf dieses grosse Defizit geben. Es braucht eine Gedenkkultur: Opfer müssen entschädigt und anerkannt werden.

Die Hälfte der Folgen geht um Hexen der Gegenwart, inwiefern ist dieses Thema aktuell?

Livia: Die geschichtlichen Folgen sind ganz klar wichtiger für die Aufarbeitung. Die modernen Folgen würden alleine nicht funktionieren. Wenn man über Hexen spricht, sollte man sich bewusst sein, was dahinter steckt. Das geht dann wieder in die Erinnerungskultur rein – Kontext ist enorm wichtig. Heute ist das Hexentum eine sehr empowering Community, die es sich auch lohnt, genauer anzuschauen.

Noëmi: Die moderne Hexenkultur sollte anerkannt und gleichzeitig hinterfragt werden. Es gibt schwierige Themen, die gerade wegen den historischen Ereignissen diskutiert werden müssen, damit die Reflexionskultur noch weiter wachsen kann.

Wenn ihr magische Kräfte hättet, für was würdet ihr sie nutzen?

Livia: Das ist viel Verantwortung, die ich glaube ich nicht wirklich haben möchte. Wenn, dann würde ich aber gerne Zeitreisen. Am liebsten in die 70er-Jahre, wo ich als Journalistin die Klimawandel-Theorien richtig gross machen würde!

Noëmi: Ich würde mich ganz klassisch irgendwo hin beamen.

Also wir würden uns sehr über eine zweite Staffel vom «Schitterhuufe» freuen. Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Livia: Momentan schreiben wir beide an unserer Masterarbeit. Danach schauen wir mal, wie es weiter geht.

Noëmi: Genau. Es wäre auch eine Option, ein anderes relevantes Thema aufzuarbeiten, das bisher noch nicht aufgearbeitet wurde. Auf jeden Fall fände ich es schön, wieder etwas mit Livia zu machen.

Hier könnt ihr euch alle Folgen vom «Schitterhuufe» anhören.

26. Januar 2023

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