Mit der Schenkung des «Amerbach Kabinetts» von einem reichen Mäzen an die Stadt Basel wurde die erste öffentliche Kunstsammlung Europas im Jahre 1661 eingerichtet. Somit wird klar, dass die öffentliche Verbreitung von Kunst an und für sich nichts Neues darstellt. Mittlerweile haben wir abertausende davon. Das Neue daran? Vermutlich der Fakt, dass ein exklusiver Sammlungsbestand einer Kulturinstitution heute längst nicht mehr ausreicht. Viele Institutionen unterlagen den letzten Jahren einer Neupositionierung in puncto Individualität und Wiedererkennungswert. Dies schliesst längst nicht mehr nur die Architektur und Präsentationsform der Sammlung eines Museums mit ein, sondern auch etliche weitere Bereiche des Museumbetriebs.
Eine erfolgreiche Markenfähigkeit umfasst anscheinend auch die Lancierung von hauseigenen Artikeln, was in beinahe jedem Kunstmuseum am Beispiel des Museumshops beobachtet werden kann. Mit der Eröffnung eines Ladengeschäfts in diesem Kontext geht das Museum eine klare und äusserst fundamentale Verschiebung ein: Es vermittelt den Besuchenden nicht mehr rein geistige Inhalte in Form von exklusiven Kunstwerken, sondern verkauft nun auch materielle Produkte, die sich nach Hause nehmen lassen. Ein «Take-Away Corner für reproduzierbare Kunst» könnte man schon sagen.
Nebst Kunstbüchern, Tassen, Stiften, Modeartikeln und vielen weiteren Dingen tritt die «Art Tote Bag» an die wohl wichtigste Stelle. Aus der Perspektive von Museen ist sie insofern die Wichtigste, weil sie innerhalb des Shop-Sortiments eines der wenigen Objekte ist, welche sich ganz subtil in den Alltag der Besucher:innen schleichen. Im Gegensatz zur Kaffeetasse wird ein gut gestalteter Stoffbeutel in jeglichen Kontexten wie Sport oder beim Einkaufen nach aussen getragen. Somit stellt es im werberischen Sinne eine geglückte Produktplatzierung dar, für welche das Museum als Unternehmen nicht einmal finanziell aufkommen muss.
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Kultiviertheit als Massenprodukt
Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich das Zielpublikum von bildender Kunst enorm verändert. Einstig ein Konsumgut, welches einzig und allein für die gehobene Bevölkerungsschicht von intellektueller Bedeutung war. So bewegt sich unsere Bevölkerung immer mehr in Richtung einer Freizeitgesellschaft, die einen Museumsbesuch in ihrem Weekendtrip miteinschliesst. Das Selfie in der Ausstellung von Olafur Eliasson ist im Nu auf dem eigenen Instagram-Kanal. Die «Art Tote Bag» mutiert schnell zum ständigen Begleiter im Alltag. Kultiviertheit zum Mitnehmen, oder so.
Der kultivierte Mensch mag es wohl, sich bewusst von anderen Gruppen abzuheben, und beeinflusst dies auch aktiv. Dadurch erweitert diejenige Person das eigene Wesen um eine identitätsstiftende Eigenschaft. In vielen Kreisen gehört das Interesse für Kunst und Kultur schließlich zum guten Ton. Oder wie Alfred Meier in «Die Kommerzialisierung der Kultur» einst sagte: «Die Kultur verleiht Prestige».
Zugehörigkeit
Oft wird formuliert, dass wir uns in einem Zeitalter des Individualismus befinden. Daran glaube ich nur bedingt. Wenn diese Tendenzen genauer betrachtet werden, dann wird klar, dass es sich dabei oft um eine kollektive Ablehnung der Werte, Ideale und des Erscheinungsbildes der sogenannten «Mainstream – Gesellschaft» handelt. Der kulturelle Geschmack einer grossen Massenkultur wird abgelehnt und dieser Akt wird oft als individualistisch interpretiert.
Es lässt sich oft beobachten, dass sich soziale Gruppierungen nach individualistischen Kriterien abgrenzen, um sich dann wieder einem Kollektiv anzuschliessen. Nehmen wir die «Art Tote Bag» als exemplarisches Beispiel:
Einer der wohl stärksten Eigenschaften von Mode ist es Menschen mit dem Drang nach Individualismus das Gefühl zu geben sie seien einzigartig und anders. Dementsprechend wird es dem/der Träger:in einer «Art Tote Bag» bewusst oder unbewusst ermöglicht, sich von der breiten Massenkultur abzuheben, und sich gleichzeitig einer kultivierten Gesellschaft zugehörig zu fühlen. Ansonsten könnten wir uns ja auch unbedruckte Stoffbeutel kaufen, die nur ein Drittel so teuer sind. Ich glaube der Museumsbeutel ist irgendwie dafür, dagegen zu sein. So wie viele von uns.
02. August 2021