Ich war unsicher. Eine lange Zeit. Ich hatte keine Ahnung wo ich hingehörte, wer oder was ich sein und was ich tun wollte – irgendwie schien ich immer entweder nicht reinzupassen oder den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Grund hierfür ist womöglich meine fehlende Erstausbildung. Das Gymnasium brach ich nach nur zwei Tagen ab. Nicht die beste Vorausetzung für eine rosige Zukunft im erfolgsorientierten Land Schweiz. Oftmals packte mich die Panik. Ich fühlte mich dumm, unverstanden, unfähig, exotisch. Während die anderen fleissig und verantwortungsbewusst ihre Ausbildungen oder das Gymnasium absolvierten, schwebte ich irgendwo zwischen grossen Träumen, Wein, Büchern und Gelegenheitsjobs.
Jeder dieser vier Punkte jedoch hatten es in sich. Die grossen Träume liessen mich nicht aufgeben, der Wein liess mich durchhalten, die Bücher stillten meinen Wissensdurst und die Gelegenheitsjobs waren meine Schule: Statt sie mit Abneigung einfach nur auszuführen, um dann Ende Monat das Cash einzusacken, begann ich sie als Selbstexperiment zu sehen.
Während ich in verschiedensten Lagern, Shops und Büros arbeitete, hinterfragte, analysierte ich und notierte mir alles, was ich mitbekam und das Gefühl hatte, könnte mir irgendwann mal zu Gute kommen. Verbesserungsvorschläge für den CEO, Vereinfachung der täglichen Abläufe, Optimierung der Kundenbetreuung, Marketing-Kampagnen. Und weil ich nichts zu verlieren hatte, scheute ich mich nicht diese kund zu geben. Ich begann gegen geschlossene Türen zu rennen, und sie öffneten sich wie Sesam: Zu meinem grossen Erstaunen führten meine Inputs nämlich nicht zu Widerstand oder einer Kündigung, sondern zur Be- und Förderung. Sie griffen nach meiner Hand, sie wollten Hilfe von der Aushilfe. Offenbar schienen sich diese kompetenten, erfolgreichen Menschen nicht ganz so sicher zu fühlen, in dem was sie taten. Zumindest nicht so, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Sie machten einfach. Sie redeten gut. Sie hatten Mut, Attitude.
Also tat ich es ihnen gleich. Ich sprang immer und immer wieder ins kalte Wasser. Machte zuerst und fand dann heraus wies geht. Liess mich auf Dinge ein, die zu gross schienen und wurde ihnen gewachsen. Hätte ich immer nur das gewagt, was ich bereits kannte, beherrschte, wusste, wies funktionierte, wäre ich wohl irgendwo hinter verschlossenen Türen zwischen grossen Träumen, Wein und Büchern hängen geblieben.
25. Juli 2021