Text von Gastautorin Lorena Müller
Tahmina Taghiyeva steht an einem grauen Tag im Oktober unter dem Vordach des Wohnblocks, der das Büro von «Brava» beherbergt. In einem dünnen Pullover, die Arme verschränkt, zieht sie an ihrer Zigarette. Bevor die Glut den Filter erreicht, drückt sie die Zigarette in einem alten Konfitürenglas aus. Tahmina deutet auf den Fenstersims, wo ein Kater liegt, «der einzige Mann» im Büro. «Brava» ist eine nicht profitorientierte NGO, in der sich Frauen gemeinsam gegen Gewalt an Frauen einsetzen.
Im freien Sitzungszimmer stehen zwei dunkle Sofas und ein grosser Couchtisch. Tahmina setzt sich und erzählt: «Alles, was in den Treffen von Stimmen geflüchteter Frauen gesagt wird, bleibt auch dort. Unter den Teilnehmer*innen waltet ein respektvoller Umgang. Wichtig ist, dass Diskriminierung und Bevormundung in den Gesprächen keinen Platz haben, damit alle frei erzählen können. Deshalb bin ich vorsichtig, eine andere Person zur Gruppe einzuladen.» Mit andere meint sie eine Person, die keine Migrations- oder Fluchterfahrung mitbringt.

Tahmina
Sie ist Aktivistin. Sie ist Betroffene. Sie ist eine Journalistin im Exil. Wie viele ihrer Kolleg*innen wurde sie 2014 gezwungen, Aserbaidschan zu verlassen, als die Regierung eine neue Welle der Repression gegen kritische Stimmen einleitete. Nach einem Jahr im Nachbarland Georgien erreichte Tahmina 2015 die Schweiz. Heute erinnert sie sich an ihre Geschichte: «Ich kam in dem Sommer in die Schweiz, als die Flüchtlingskrise da war.» Das Empfangszentrum Basel teilte sie mit doppelt so vielen Personen, wie es im Normalfall beherbergt. Damals war sie mit ihrem Ex-Mann, alleinstehenden Frauen und Familien im gleichen Zimmer. «Mehr als zehn doppelstöckige Betten, dort mussten wir alle zusammen schlafen.» Privatsphäre war eine Seltenheit, Diskriminierung allgegenwärtig. «Ich war nie allein, aber hatte immer Angst.» Rund um die Uhr durften Menschen ohne Vorwarnung das Zimmer betreten. «Auch die Security durfte zu jeder Zeit das Zimmer öffnen, wann immer sie wollte. Für die Kontrolle.» Und trotzdem fühlte sich niemand für sie verantwortlich. «Alle waren mit administrativen Sachen beschäftigt. Ich hatte keine Betreuung und keinen Kontakt mit Menschen, die dort arbeiteten. Sie waren nur da, um zu sagen, dass wir das Zentrum putzen sollen. Für mich war es sehr schwierig, diese unmenschlichen Zustände zu erleben. Vor allem für Frauen, Frauen mit Kindern, schwangere Frauen. Aber allgemein für alle Menschen.» Die meisten Menschen bleiben zwei Wochen im Empfangszentrum, Tahmina ohne Begründung zwei Monate. Seit sie in der Schweiz ist, setzt sie sich beruflich und privat für geflüchtete Menschen ein. Ihr Talent für Sprachen, ihre Herzlichkeit, ihre Ausdauer und ihr Feingefühl sind wesentliche Bestandteile ihrer Arbeit.

Tahmina erzählt beim ersten Gespräch von «Brava» und den Anfängen des Stimmen-Projekts, wie sie es nennt. «Brava», früher «Terre des Femmes», beschäftigt sich seit Langem unter anderem mit den Schwierigkeiten von geflüchteten Frauen in Asylzentren und beim Asylverfahren. Vor dem Stimmen-Projekt hat «Brava» als Organisation im Parlament, mit Politiker*innen und mit anderen Organisationen politische Arbeit zum Thema Asyl und Migration geleistet. Das Stimmen-Projekt schafft seit 2021 eine Plattform für geflüchtete Frauen, damit sie selbst für ihre Anliegen sprechen und eigenständig Sensibilisierungs- und politische Arbeit leisten können. Tahmina erzählt, dass sie das Projekt auch als Teilnehmerin kennenlernte. Im Sommer 2022 übernahm sie dann die Projektleitung. «Ich finde es wichtig, dass das Projekt von geflüchteten Menschen geleitet und getragen wird. Das Stimmen-Projekt setzt eine grosse Partizipation der Teilnehmenden voraus.» Es ist ein Raum, in welchem sich geflüchtete Frauen selbst organisieren und sich aktivistisch und politisch engagieren – und das ohne Schweizer Pass, ergo ohne Stimm- und Wahlrecht. Sie haben sich selbst verschiedene Wege erarbeitet.
Der Status einer geflüchteten Person wird in der Schweiz durch das Asylgesetz geregelt. Als geflüchtete Person zählt, wer auf Grund von Religion, politischer Ansicht oder Zugehörigkeit zu einer spezifischen ethnischen Gruppe verfolgt wird. Die Fluchtgründe bei Frauen haben oft geschlechtsspezifischen Charakter – Mädchenbeschneidung, Zwangsheirat, häusliche und sexualisierte Gewalt sind keine Seltenheit, ihre Berichte keine Einzelfälle. Auch wenn über das Asylverfahren in der Schweiz gesagt wird, dass genderspezifische Asylgründe bekannt sind, werden sie nicht genügend beachtet. Recherchen, Autor*innen und Aktivist*innen analysierten die Flüchtlingskonvention. Das Ergebnis: Sie wurde nur für Männer gedacht. Die Frauen gehen in dieser Einheit verloren.
Mit dem öffentlichen Verkehr sind es rund 15 Minuten vom Büro von «Brava» zum Treffpunkt des Stimmen-Projekts. Aus der ganzen Schweiz kommen die Frauen zu dem heutigen Treffen. Die Traktandenliste ist gefüllt. Oberstes Tagesziel: Schärfung des Forderungskatalogs für die SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Die vorhandenen Forderungen werden betrachtet und mit dem Kompetenzbereich von Baume-Schneider abgeglichen, um ihr die passenden Anliegen vorzulegen. Doch als erstes steht Yoga auf dem Tagesplan. Eine eigene Yogamatte besitzen die Wenigsten der rund 20 Frauen, die mittlerweile angekommen sind. Viele setzen sich auf den kalten Parkettboden. In den ersten 30 Minuten des Tages stehen Erholung und Selbstfürsorge im Zentrum. «Wir alle im Raum führen ein aktivistisches Leben. Dabei kommt das Sorgen für sich selbst zu kurz», erklärt Tahmina. «Entspannung ist wichtig, damit wir später besser arbeiten können.» Damit alle Frauen die gleichen Chancen auf eine Teilnahme haben, werden bei jedem Treffen Kinderbetreuung und Übersetzung angeboten, die Fahrtkosten werden übernommen, für Verpflegung wird gesorgt und die Aufwände der Frauen im Rahmen des Projektes werden entschädigt. Die Devise: «Unsere Arbeit hat denselben Wert wie jede andere Arbeit auch.» Die lachenden Kinderstimmen integrieren sich in die Yoga-Praxis.
Auf das Yoga folgt eine kurze Pause. In diesem Rahmen tauschen sich die Frauen über ihr Leben aus. Sie führen ungezwungene Gespräche. Durch die Luft wandern Röstaromen vom Kaffee in den Pappbechern. Viele Frauen haben sich hier kennengelernt, andere sind mit Verwandten zu den Treffen gekommen. Obwohl die meisten schon längere Zeit ein Teil des Projekts sind, bilden alte Bekanntschaften stabile und etablierte Grüppchen. Auf Grund der unterschiedlichen Muttersprachen treffen sich die Frauen in der deutschen Sprache. In den Gesprächen kommen Fragen auf. Fragen nach der Aufenthaltszeit in der Schweiz, dem Asylzentrum, nach den Kindern oder der Familie. Und die wichtigste: «Wie geht es dir?». Sherin ist heute alleine gekommen. Sie hat mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen als die Frauen, die in den Asylzentren wohnen.
Sherin
Sie ist wissbegierig. Sie ist auch bei anderen Projekten für Frauen und geflüchtete Personen aktiv. Sie flüchtete mit ihrer Familie. Sie musste 2010 ihr Heimatland verlassen. Sherin spricht offen über ihre Erfahrungen. 2011 ist in Syrien der Krieg ausgebrochen. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei begann 2014 ihr Weg in die Schweiz. Zusammen mit ihrem Mann, ihrer dreijährigen Tochter, ihrer Schwester und deren Familie. In der Schweiz wurde sie von ihrer Schwester und ihrem Mann getrennt. Mit ihrer Tochter verbrachte sie fünf Monate im Asylzentrum.
Sherin will ihre Geschichte teilen. Jeden Tag setzt sie sich mit Vergangenem auseinander, um Zukünftiges zu beeinflussen. Ein Kraftakt. Sherin hat sich bereits in Syrien und in der Türkei mit Organisationen für geflüchtete Menschen eingesetzt. «Ich möchte Geflüchteten helfen. Flucht und Migration interessieren mich. Deshalb besuche ich Integrationskurse und möchte später weiter studieren.» Sherin möchte Anwältin werden, dafür müsste sie ihre Matura erneuern, weil ihre Dokumente in der Schweiz nicht anerkannt werden. In Syrien hat Sherin 17 Jahre gelernt und studiert, ein einfacher Job wäre für sie unterfordernd. Ihr Berufsziel wird von der Sozialarbeiterin nicht unterstützt, weil die Ausbildung zu teuer wäre und ihr die Deutschkenntnisse fehlen. Die Anforderung für ein Startstudium ist Level A1. Viele Geflüchtete, insbesondere Frauen, erhalten oft keine richtige Unterstützung, um Deutsch zu lernen, wodurch sie keine Chance auf eine bessere Ausbildung und Arbeit haben. «Manchmal verstehe ich das Recht nicht. Mein Deutsch ist besser als A1, trotzdem darf ich nicht studieren.»
Nach der Pause kommt die offizielle Begrüssung. Tahmina erinnert daran, dass alle Frauen im Raum ihre eigene Fluchtgeschichte und ihre individuellen Erfahrungen mitbringen. Was sie gemein haben, sind die geschlechterspezifischen Diskriminierungen und Gewalterfahrungen. Folge der fehlenden Beachtung von genderspezifischen Asylgründen ist das Missachten der besonderen Schutzbedürfnisse von geflüchteten Frauen. Tahmina leitet die Sitzung mit viel Übung. Sie ist sichtlich bemüht, alle zu motivieren. Trotz ernster Thematik lächelt sie zwischen allen Sätzen.
Die Frauen werden aufgefordert, ihre schwierigen Erfahrungen in den Asylzentren zu sammeln. Auf dem Boden im Flur und im Zimmer unterhalten sich die Frauen über ihre Geschichten und notieren Gedankenhilfen auf grossen Blättern. In Türkisch, Arabisch, Kurdisch, Englisch und Deutsch werden die Schwierigkeiten festgehalten.
Tahmina geht von einer Gruppe zur nächsten und fügt an, dass «Lösungen und Forderungen bei der Bundesrätin besser ankommen als nur schwierige Erfahrungen.» Die erarbeiteten Missstände werden im Plenum gesammelt und zu Forderungen umformuliert. Tahmina sieht im erarbeiteten Forderungskatalog einen kleinen Schritt zur Sichtbarmachung. «Wir haben versucht, unsere und die Anliegen vieler zu adressieren, und ich denke, dies allein bringt schon Anerkennung für uns als Gruppe. Das Gespräch mit der Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider gibt uns Hoffnung und signalisiert, dass wir auf irgendeine Weise wahrgenommen werden.»

Anonym
Sie ist tot. Sie ist kein Einzelfall. Sie war Geflüchtete. Tahmina berichtet über ihr Schicksal. Gespräche über frühere Gewalterfahrungen gab es für die Frau nicht. Sie wurde nie gefragt, ob sie Unterstützung braucht oder sich in einer schwierigen Situation befindet. Trotz Mangel an weiblichem Personal wandte sich die Frau an die Leitung ihres Asylzentrums. Sie schilderte die Angst, die sie vor ihrem Mann hatte. Sie wollte sich von ihm trennen. Er hat sie mehrfach bedroht. Ihr Hilferuf und ihre Worte wurden nicht gehört. Vor einem Jahr wurde diese Frau im Asylzentrum von ihrem Ehemann ermordet. Ein Femizid.
Im Asylbereich sind Frauen nicht geschützt. Wer im Ausland Gewalt oder Ausbeutung erfahren hat, erhält in der Schweiz keine auf Gewalt oder Missbrauch spezialisierte Unterstützung. Das Opferhilfegesetz orientiert sich am Territorialitätsprinzip. Hilfe wird ausländischen Personen nur gewährt, wenn die Tat in der Schweiz begangen wurde. Ein weiteres Hauptproblem ist, dass im Asylverfahren und in den Strukturen der Asylzentren – sei es in den Einrichtungen oder in der Betreuung – alles auf Männer ausgelegt ist. Nirgends werden die Bedürfnisse von Frauen, besonders von Frauen, die traumatisiert sind, Gewalt erlebt haben oder zu anderen vulnerablen Gruppen gehören, berücksichtigt.
Es sind grosse Herausforderungen, die sich aus langen Wartezeiten, einem Mangel an Fachpersonal, einem fehlenden Einfühlungsvermögen und der mangelnden Sensibilisierung des Personals für Traumata ergeben. Heisst, dass die Frauen in den Asylzentren mit den schweren körperlichen und psychischen Folgen der massiven Gewalterfahrung allein zurechtkommen müssen. Widersprüchlich dazu steht das Unterschreiben der Istanbul-Konvention. Dadurch hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, allen gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen Zugang zu spezialisierter Unterstützung zu gewähren. Als Gewalt gegen Frauen und Mädchen gelten gemäss Istanbul-Konvention alle Handlungen, die zu körperlichen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei den Betroffenen führen oder führen können. Nach der Istanbul-Konvention würde auch Gewaltbetroffenen mit Tatort Ausland, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, psychologische Unterstützung zustehen. In der Theorie können sich also alle Bewohner*innen der Asylzentren an die Betreuenden oder das Sicherheitspersonal wenden. In der Praxis wird dies durch hohe Arbeitsbelastung des Personals, Sprachbarrieren zwischen Asylsuchenden und Personal sowie fehlende Sensibilisierung für geschlechterspezifische Traumata erschwert. Das kann, wie im Fall von Anonym, ein böses Ende nehmen. Leider sind Transitländer, Asylcamps sowie die Ankunft in der Schweiz oft kein Ausweg aus der geschlechterspezifischen Gewalt. Die Frau erlag den strukturellen Schwachstellen des Asylwesens in der Schweiz.
Femizide sind keine Einzelfälle, sondern das Resultat von struktureller und intersektionaler Gewalt, deren Ausgangspunkt in den patriarchalen Machtverhältnissen liegt. Das eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann berichtet, dass im Jahr 2019 jede Woche eine Frau einen versuchten Femizid überlebte. Alle zwei Wochen wird eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. In der Schweiz gibt es keine offizielle Stelle, die Femizide aufzeichnet und eine Statistik über Tötungen aufgrund des Geschlechts führt. Fachpersonen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.
Als Gruppe geflüchteter Frauen sprechen sie oft darüber, wie ihr Leben in der Schweiz aussieht und welche strukturellen und institutionellen Schwierigkeiten und Diskriminierungen sie weiterhin erleben – einfach weil sie Frauen sind. Die gesammelten Erfahrungen stehen für die Schicksale vieler Frauen. Sie nehmen sich einen Raum, der nicht für sie gedacht wurde, und ebnen dadurch den Weg für weitere mutige Frauen. Der geschärfte Forderungskatalog, den es in einer anderen Form schon vor diesem Treffen gab, dient als Baustein im Prozess der Stimmfindung der Frauen. Es ist noch viel zu tun beim Einbeziehen von Direktbetroffenen in politische Entscheidungen und in den öffentlichen Diskurs. Um der fehlenden politischen Partizipation entgegenzuwirken, haben die Frauen des Stimmen-Projekts für die Gesprächsführung mit Elisabeth Baume-Schneider vier Botschafter*Innen bestimmt. Sie tragen im Namen der Gruppe und weiterer geflüchteter Frauen ihre Erfahrungen und Forderungen raus an eine Entscheidungstragende.

Forderungen der Botschafter*innen
Gamze fordert:
- Zugang zu psychologischen und/oder psychischen Behandlungen unabhängig vom Aufenthaltsstatus
- Übersetzung bei medizinischen Behandlungen
- Zugang zu Opferhilfeleistungen auch für Personen, die Gewalt im Ausland erfahren haben (beispielsweise auf der Flucht).
- Die Verlängerung des Ausschaffungsverbots für Schwangere und Gebärende.
Liza fordert:
- Verbindliche Konzepte zur geschlechtersensiblen Unterbringung
- Verbindliche Gewaltschutzkonzepte für Asylunterkünfte
- Abschliessbare Zimmer und Sanitäranlagen
- Getrennte Stockwerke für Männer und Frauen oder separate Unterkünfte für Familien und alleinstehende Frauen
- Privatunterkünfte für Menschen aus besonders vulnerablen Gruppen, wie beispielsweise Geflüchtete mit Be_hinderung, LGBTQIA+-Menschen, und Gewaltbetroffene
- Mehr Platz und Rückzugsmöglichkeiten
Chandrika fordert:
- Bessere Vernetzung von Asylzentren in Städten
- Uneingeschränkten Zugang zu Sprachkursen
- Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten
- Möglichkeit der Kinderbetreuung, um Termine wahrzunehmen
- Mehr partizipative, lokale Projekte, um das gesellschaftliche Leben aktiv mitgestalten zu können
Duaa fordert:
- Niedrigschwelliger Zugang zu Unterstützungsangeboten in allen Sprachen und regelmässige und proaktive Information dazu
- Niederschwelliges Beschwerdesystem und unabhängige Untersuchung von Gewaltvorfällen
- Gewährleistung weiblicher Ansprechpersonen beim Betreuungs-, Sicherheits- und Gesundheitspersonal
- Regelmässiges, unabhängiges Monitoring der Unterbringungssituation in Asylunterkünften.
Das Treffen mit Elisabeth Baume-Schneider findet in Bern hinter verschlossenen Türen statt. 16 Frauen vom Stimmen-Projekt sind anwesend. Die vier auserwählten Frauen erhalten eine Stunde Zeit, um die erarbeiteten Forderungen vorzulegen. Gamze, Liza, Chandrika und Duaa zeigen die Spuren der geschlechtsspezifischen Gewalt und Diskriminierung auf. Sie fordern humanitäre Unterstützung und appellieren an den Handlungsbedarf von Regierung und Gesellschaft.

Es ist kurz vor Weihnachten 2023. Das Gespräch mit Elisabeth Baume-Schneider liegt einige Wochen zurück. Die Frauen treffen sich zum Weihnachtsessen und zum Austausch. Alle sitzen in einem Kreis. Das Protokoll des Gesprächs wird vorgestellt für all diejenigen, die nicht dabei sein konnten. Es wird diskutiert und Verbesserungsvorschläge werden gesammelt. Die Frauen sind sich einig: Die Benennung von Diskriminierungen trägt dazu bei, Vorurteile zu durchbrechen, indem sie Bewusstsein und eine Grundlage für einen offenen Dialog schafft. Der Forderungskatalog bietet eine Grundlage für eine reflektierte Auseinandersetzung mit bestehenden Ungerechtigkeiten. Das Verbreiten der Forderungen fördert das Verständnis für versteckte Lebensrealitäten und regt zu positiven Veränderungen in der Gesellschaft an. Tahmina ist sich sicher, dass sich ihre Arbeit auszahlen wird. «Viele von uns haben andere Fähigkeiten, sprechen unterschiedliche Sprachen, sind gut ausgebildet. Viele von uns sind junge Menschen, die Unterstützung brauchen. Unsere Kinder haben das Recht, Kind sein zu können. Wir haben das Recht auf ein normales Leben mit vielen Chancen. Dafür ist es wichtig, dass die Gesellschaft und besonders Institutionen, die mit geflüchteten Frauen arbeiten, unsere Verletzlichkeit im Zusammenhang mit unserem Geschlecht verstehen.»
23. Januar 2025