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Betrügen – der umstrittene Fehltritt

Ist es überraschend, wie vermeintlich schnell man doch das Vertrauen, das Wohlbefinden anderer und die Beziehung mit einer Partnerin oder einem Partner riskiert, meistens für eine kurze Bestätigung von Fremden? Oder vielleicht auch nicht? Was heisst es zu Betrügen und kann man Betrügen rechtfertigen?

Von Sina Schmid

Nach vielen Gesprächen mit Freundinnen und Freunden, zukünftigen Ärztinnen und Biologie-Liebhabern, angehenden Philosophinnen, Betrogenen, Betrügerinnen und Betrügern sowie Komplizen, konnte ich für mich selbst einige Schlüsse ziehen. 

Fangen wir mal ganz einfach an: Wieso betrügt Mensch? 

Unzufriedenheit wird wohl der grösste Auslöser für dieses «Fehlverhalten» sein. Wer wunschlos glücklich ist, wird sich nicht nach mehr umsehen, da er oder sie sich eigentlich bewusst ist was er oder sie an seinem Partner hat und auch ans sich selbst. 

Ob seelischen oder sexuellen Frust zu stillen: Mensch sucht sich in seiner Unzufriedenheit jemanden externes dafür. Oder jemand neues tritt plötzlich ans Licht und man fühlt sich so angezogen, dass Rationalität ein Fremdbegriff wird. Viele Menschen brauchen auch einfach nur Bestätigung, und wenn sie diese nicht von der Partnerin oder dem Partner bekommen, dann suchen sie sich eine neue Quelle. Das alles ist an sich weder verwerflich noch unverständlich. Weder Gefühle noch Attraktion können gesteuert werden. Wo man aber Selbstverantwortung übernehmen muss, ist bei Taten. 

Die meisten Menschen wissen, wenn sie etwas Falsches machen. Auch wenn es sich in dem Sinn nicht falsch anfühlt. Jetzt haben aber alle Menschen eine andere Hemmschwelle bzw. einen anders ausgerichteten moralischen Kompass. Den Konsequenzen sollten sich alle bewusst sein und doch ignorieren sie viele. 

Bei den Betrügern gibt es in meiner Vorstellung der «allgemeinen» Betrügerei zwei Arten:

Die erste ist die Art von Betrüger welche die eigene Partnerin oder den eigenen Partner betrügt. Sie sind schlussendlich für unglaublich viel Leid verantwortlich, nicht nur des Partners, sondern auch das eigene Leid und das der Komplizen geht hier auf ihre Kappe. Dann gibt es die eben genannten Komplizen, welche den Betrügern helfen einen anderen Menschen zu hintergehen, auch sie sind für das Leid mitverantwortlich. Auch wenn sie selbst nicht zur Verantwortung gezogen werden können, denn der Betrüger hätte auch einen anderen Helfenden finden können. 

Betrüger sind nicht unbedingt schlechte Menschen. In Filmen und Büchern sind es immer irgendwelche moralisch Minderwertige, aber in der Realität ist es nicht so. Gute Menschen tun schlechte Dinge und vice versa. Wie man so schön sagt «sag niemals nie», ich kann auch nicht garantieren, dass ich nie so einen Fehltritt begehen werde. Was aber gesagt werden kann ist, dass solche Entscheidungen aus Egoismus und eigenen Zweifeln entstehen und die Partnerin oder der Partner (meistens) keine Schuld trägt. Wer betrügen will, wird betrügen, egal wie toll der Freund oder die Freundin sein mag. Ob es etwas mit dem Charakter zu tun hat, ist fragwürdig. Es wird aber bestimmt mit einer Ignoranz zusammenhängen, auch wenn nur in diesem Moment. 

Komplizen wie man sie so schön nennt sind auch ignorant. Ihnen ist es eigentlich recht egal, wenn sie dabei helfen einen anderen Menschen zu verletzen, oder sie sind so in ihrem eigenen Film, dass sie halt keine Rücksicht drauf nehmen, was ja irgendwo durch auch synonym ist.

Betrogene sind unschuldige Betroffene. Meistens werden sie noch lange wenn nicht für den Rest ihres Lebens ein Problem damit haben ihren Partnern zu vertrauen. Wer einmal etwas so Hinterlistiges erlebt hat, wird in Zukunft vorsichtiger mit Liebe, Bindung und Gefühlen umgehen. 

Was zudem auffällt: Wenn Männer betrügen dann meistens um einer körperlichen Anziehung oder einem körperlichen Verlangen nachzugehen wo Frauen wohl öfter nach Bestätigung suchen, was etwas sehr Emotionales ist. In beiden Fällen ist es meiner Meinung nach so:

Betrügende haben Probleme mit sich selbst. Auch wenn sie einfach Schwierigkeiten haben offen zu kommunizieren was ihnen mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner fehlt: Sie sind dafür verantwortlich die Situation zu ändern. Ändern kann auch heissen eine Beziehung zu beenden. Schluss zu machen ist immer noch besser als Vertrauen zu brechen und zu hintergehen. Und klar, das Ganze ist einfacher gesagt als getan und trotzdem gibt es viele, die es schaffen. 

Spannend wäre auch zu sehen wie viele Menschen ihre Partner wirklich betrügen. Ich rede übrigens eigentlich nur vom effektiven physischen Betrug und nicht nur vom emotionalen. Was ist die Dunkelziffer? Ist es eigentlich einfach ein stigmatisiertes Tabu oder doch etwas «Selteneres» als die Monogamie? 

Besonders heutzutage, sollte Mensch niemanden mehr betrügen müssen. Wenn jemand das Verlangen nach mehreren Partnern hat dann gibt es genügend Möglichkeiten diesem Verlangen nachzugehen. Ob nun offene Beziehungen oder doch traditionelle Wege – es gibt nichts das es nicht gibt. All das hilft uns primitiven und animalischen Menschen andere nicht zu verletzen und für den Rest ihres Lebens zu Zeichnen, einfach weil wir kurzfristig unsere Bedürfnisse stillen müssen.

In meinem Freundeskreis habe ich alle drei Parteien: Betrüger, Betrogene und Komplizen. Ich weiss, dass auch Betrüger mit schlimmen Gewissensbissen geplagt sind (zurecht) aber dass sie auch trotz ihren Taten gute Menschen sind – loyal, verständnisvoll und ehrlich. Viele kehren nach ihrem Fehltritt in sich, um zu verstehen wieso sie so gehandelt haben wie sie es nun mal haben, dass sie selbstreflektierter und empathischer werden. Dennoch kann es sein, dass man eine Hemmschwelle überschritten hat, welche rückwirkend nicht einfach neu erschaffen werden kann. Ganz à la einmal Betrüger immer Betrüger. 

In meinem Freundeskreis gibt es aber auch Betrogene, die trotz aller Rationalität auch an sich gezweifelt haben. Die Leidtragenden sind in erster Linie nunmal die Betrogenen und ihnen zuliebe sollte man sich einfach ordentlich überlegen, ob man wirklich machen will was man daran ist zu tun. Reflektieren ist angesagt. Empathie kann nicht gelernt werden, korrektes Verhalten schon.

Zusätzlich habe ich auch Komplizen-Freunde. Auch sie sind coole Menschen welche einfach einen Kurzschluss-Entscheid getroffen haben. Einige bereuen es und andere nicht. Ein Freundin welche auch eine dieser dummen Entscheidung getroffen hat, meinte mal: «Klar, es ist seine Freundin und seine Verantwortung, aber ich habe es ihm in diesem Moment ermöglicht. Auch ich trage eine gewisse Schuld. Zusätzlich habe ich gelernt dass ich es nie wieder tun könnte, weil ich selbst einfach nie Betrogen werden möchte und ich auch hoffe, dass niemand anderes es so drauf ankommen lässt wie ich.» Irgendwie zeigt diese Art von Handlung auch sehr viel über das eigene Selbstwertgefühl auf, wenn man sich auf solche hinterhältige Spielchen einlässt. Jeder verdient mehr als einfach nur Komplize zu sein, Nebendarsteller in einem Schlamassel zu spielen. 

Ein einfacher Leitsatz wäre folgender: Wenn du nicht möchtest, dass deinen Liebsten das angetan wird, was du im Begriff bist zu tun, dann lass es sein. Simple as that. Manchmal müssen wir eine persönliche Bindung zu etwas aufbauen um empathischer daher zu kommen.

Das Betrügen ist irgendwie salonfähig geworden. Es wird belanglos thematisiert, als würden unschuldige Menschen nicht ein Leben lang «traumatisieren» werden, als wäre es ein in Kauf zu nehmender Nebeneffekt von Beziehungen. 

Triebe, Gefühle und Verlangen sind normal. Diese mit seiner liebsten Person zu kommunizieren, sollte aber ebenfalls normal sein, sodass keine unfairen Taten folgen müssen. Im Endeffekt muss aber jeder für sich entscheiden, ob er oder sie damit leben kann, anderen Leid zuzufügen für den eigenen Spass oder wegen den eigenen Komplexen.

08. Dezember 2020

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