Was wäre ein Festival ohne all die Menschen, die mitdenken, mitschleppen, mitbauen – oft im Hintergrund, oft freiwillig? Genau diesen Blick wagt Anja Fonseka in ihrer Fotoserie «THOSE WHO MAKE», die dieses Jahr in Luzern zu sehen ist. Die Bieler Fotografin zeigt, was sonst oft unsichtbar bleibt: die konzentrierten Gesichter, die verschmierten Hände, die ruhigen Momente mitten im Chaos des B-Sides Festivals.
Im Gespräch erzählt sie uns, was sie bei der Arbeit über kollektive Energie gelernt hat, warum freiwilliges Engagement mehr sein muss als Gratisarbeit – und warum es manchmal eine Form von Rebellion ist, einfach Freude zu empfinden.
Inwiefern siehst du deine Arbeit als Beitrag zur Sichtbarmachung und zur Förderung gesellschaftlicher Anerkennung für freiwilliges Engagement?
Anja Fonseka: Freiwilliges Engagement funktioniert nur, wenn es in der Balance steht. Wenn erwartet wird, dass ehrenamtlich gearbeitet wird, ist meistens ein Missverhältnis dahinter, was dann in Richtung Ausnutzung geht. Solche Verhältnisse müssen vermieden werden. Ich habe in «THOSE WHO MAKE» versucht, die Freude am gemeinsamen Gestalten zu zeigen und die Vielfältigkeit, in der Menschen sich im Umfeld des B-Sides-Festivals einbringen und kreativ sein können. Es gibt Menschen, für die ist der soziale Austausch wichtiger, für andere ist es die technische Herausforderung oder das kreative Problemlösen. So sehe ich «THOSE WHO MAKE» als Fächer, welcher viele dieser Aspekte zeigt und so möglichst viele verschiedene Menschen einlädt, auch mitzumachen.
Deine Bilder dokumentieren oft die Zwischenmomente – Erschöpfung, Konzentration, kleine Gesten. Hast du dabei etwas über Arbeit und Anerkennung gelernt, das dich überrascht hat?
Wenn ich zu Hause an einer Sache knobele und nicht weiterkomme, dann höre ich vielleicht einfach auf oder mache was anderes. In der Community etwas anzupacken, kreiert ein Momentum, welches einen darüber hinaustragen kann. Wir inspirieren einander, nerven einander, stossen und ziehen einander allein durch unsere Anwesenheit. Die Erfolgserlebnisse wirken dann wohl wie eine Haftung. Und das Resultat ist die Belohnung: Die Artists stehen auf der Bühne, das Publikum hat eine gute Zeit und die Helfenden vor Ort können dank aller Vorarbeit ihre Arbeit gut machen. Die Befriedigung in diesem Moment ist bestimmt grösser, wenn wir über all die kleinen und grossen Momente davor hinausgehen.


Das B-Sides gilt als Gegensatz zum Mainstream-Festivalbetrieb – klein, lokal, kollektiv organisiert. Was macht für dich den Geist dieses Festivals aus?
Die einzelnen Menschen in den verschiedenen Ressorts werden als ganze Menschen wahrgenommen und wertgeschätzt. Wenn diese Wertschätzung nicht zu den Menschen gelangt, wäre das B-Sides Festival nicht das, was es heute ist. Ich glaube, die Rolle der Helfendenbetreuung ist eine der wichtigsten, die den Geist des Festivals ausmacht. Die Helfenden sind ja nicht nur die günstigen Arbeitskräfte, die das Festival finanziell entlasten würden, sondern viel mehr als das: Sie tragen diesen Geist nach aussen, holen ihre Freund*innen ins Festival, planen ihren Sommer danach, zeigen in ihren eigenen Communities, dass sie sich einbringen können, nutzen ihre Erfahrung beim B-Sides Festival für ihren Lebenslauf etc. All das sind Ausschüttungen der Investition, die das B-Sides Festival bekommt, indem es sich liebevoll um die Helfenden kümmert. Das darf nicht vergessen werden und ist ein wichtiger Grund, wie es sich von anderen Festivals unterscheidet.
Gibt es ein Bild oder eine Begegnung, die für dich zeigt, was «kollektive Energie» bedeuten kann?
Mir kommt dazu vor allem der achtsame Umgang in den Sinn, der sich in der Kultur des B-Sides durchzieht. Egal ob Krisensitzung, Menüplanung oder Dekobau: Es gibt ein übergreifendes Gefühl dazu, achtsam miteinander umzugehen. Das generiert nicht an sich eine grosse kollektive Euphorie. Aber sie gibt die Erlaubnis, sich selbst zu sein und Dinge zu schaffen. Energie beginnt im Kleinen.

Gerade junge Menschen sind oft überlastet, kämpfen mit Existenzdruck. Warum, denkst du, investieren trotzdem viele gerade aus dieser Generation in freiwillige Kulturarbeit?
Für andere kann ich nicht gut sprechen, aber für mich selber ist die Community der entscheidende Faktor. Den finden wir in einem Verein, in anderen Communities, in der Familie oder in der Ausgangskultur und so weiter. Je nachdem, was die Lebensrealität ist, kann der eine oder andere Ort einen Ausgleich zum Druck des Alltags in Lehre, Studium oder Arbeit bieten. Ich selber habe mich immer besonders auf die einzelnen Menschen gefreut, wenn ich da war. Diese sind nicht unbedingt in meinem sonstigen Freundeskreis, aber es ist toll, wenn ich auf den Festivalplatz kommen und mich über die Menschen freuen konnte, die ich fotografiert habe.
Natürlich muss man sich das finanziell auch leisten können, unbezahlte Arbeit zu machen. Und teilweise musste ich selber auch regulieren, was ich tun oder eben nicht tun konnte. Von bell hooks wissen wir, dass Freude und Glück zu empfinden eine Form der Rebellion ist. Das müssen wir uns immer wieder zu Herzen nehmen: Rebellieren, generiert auch Energie.
Was müsste sich ändern, damit solche ehrenamtlichen Projekte langfristig nicht nur überleben, sondern gedeihen?
Das kann ich nicht genau sagen. Da reden wir nämlich über den Übergang und die Schnittstellen und Überlappungen zu den bezahlten Arbeiten. Es braucht beide, und beide brauchen einander. Nur eine klare Vision kann den Balanceakt in diesem Spannungsfeld aufrechterhalten.



B-Sides Festival
Das B-Sides Festival folgt musikalisch den vielfältigen Nebenströmungen, steht für Selbstgemachtes und bereichert die Festivallandschaft seit 20 Jahren auf unkonventionelle Weise. Das Jubiläumsfestival findet vom 19. bis 21. Juni mit über 40 Programmpunkten auf dem Sonnenberg in Kriens, Luzern, statt.
Programm, Infos & Tickets unter www.b-sides.ch
19. – 21. Juni 2025
«THOSE WHO MAKE» – Menschen, die das B-Sides machen
«THOSE WHO MAKE» zeigt in einer multilokalen Ausstellung Fotografien von Anja Fonseka, die während 10 Jahren rund um das B-Sides Festival entstanden sind. Durch die Linse der Bieler Künstlerin werden diejenigen Menschen sichtbar, die das Festival ermöglichen: engagierte Macher:innen, viele von ihnen Ehrenamtliche. Die Ausstellungsorte sind der Velociped Laden, Pastarazzi Himmelrich, Neubad Vorplatz, Museum im Bellpark und digital über Modul. Die Vernissage mit Apéro findet am 20. Mai um 19.00 Uhr im Kino Bourbaki statt und ist offen für alle Interessierten.
20. Mai – 21. Juni 2025
14. Mai 2025